Spartathlon 28./29. September 2018

Die Fakten:
Ca. 246 km, ca. 3000 positive Höhenmeter; ca 400 gemeldete internationale Läufer nach Qualifikationskriterien der teilnehmenden Länder

Spartathlon 2018:
Der Zyklon kommt: Die Schulen werden und bleiben geschlossen, die Leute sollen zu Hause bleiben in den sicheren Häusern. Das Rennen findet statt!

Da soll das mein 6. Finish werden und ich denke ich kenne schon Alles und bin perfekt – soweit man dies beim Spartathlon sagen kann – vorbereitet: Im Sommer Samstag und Sonntag immer zw. 12 und 14 oder bei langen Läufen bis 16 Uhr raus, also in der Hitze. Die Wetter App zeigte für Athen und Sparta ja auch immer 30-35 °C. Im März auf 100 km nochmals Bestzeit (mit 53 Jahren nicht so wirklich zu erwarten) und Biel als Trainingslauf in wirklich Stress freien 9:01h. Geht doch! Will ja auch Thore – der auf 100 km inzwischen eine gute halbe Stunde schneller ist – möglichst lange, d.h. bis 172 km Nestani begleiten. Dann darf das Alter vor der Jugend einknicken. Soweit der Plan!

Mittwoch in Athen Ankunft, Donnerstag üblicher Ablauf mit Startnummer abholen – liegt Dein Medizinisches-Zeugnis vor? -, Datenschutz Erklärung unterschreiben (Wie sehr muss die EU ein Land quälen, dass es diesen Papiertiger, über den Facebook, etc. eher lachen, so genau durchführt wie die Deutsche-Bürokratie???) und Drop bags abgeben. Ja, das machen wir, denn was ist, wenn ein Betreuer ´ne Autopanne hätte bzw. für die ersten 81 km sowieso. 
Und die Wetter App zeigt immer noch – seit 1 Woche starre ich darauf und kann es nicht glauben! – Regen für Athen und Sparta und dies Freitag und Samstag. Praktisch nur die Renntage. 

Bzgl. dieses Unglaubens eines Besseren belehrt, starten wir am Freitag morgen um 7:00 Uhr in den Athener Regen, sind bereits auf den glatten Marmorplatten, der ersten 200 m vorsichtig, und bzgl. der Pfützen im Athener Straßenverkehr sowieso. Ich habe die leichte Windjacke und Regenjacke, die ich bei AmazonPrime – Sorry Christoph, mein lokaler Sportgeschäft Dealer, die hattest Du nicht in meiner Kindergröße da! – gerade noch und eigentlich nur für den Sangaspass bis Nestani erstanden habe, an. Ich hatte sie bei dem Wetterbericht nicht an den Mountain Base CP geschickt! Und so laufen wir durch den morgendlichen Regen des Athener Berufsverkehrs, durch dieses Jahr noch genervtere Polizisten geschützt, wie in den sonstigen (= trockenen Jahren), die ja auch im Regen rum stehen müssen. Pfützen und Spurrillen versuchen wir zu vermeiden. 
Langsames Tempo: Das heißt für uns 5:00 – 5:30 min/km. 
Nach rund 10km wie immer abbiegen auf die Autobahn: So wenig Verkehr, der uns trotzdem immer wieder leicht nass spritzt. Wir wissen noch nicht warum es so wenig Verkehr hat. 
Check point 3: Hier liegt mein erstes drop-bag. Ich habe wie immer meine Miniplastiktüte mit Isopulver in einem großen Pappbriefumschlag. Pappe! Nicht Papier! Man will mir den bag geben und hebt ihn an: Remember: CP3! Also ganz früh am Tag! Die kleine Plastiktüte mit 3 Löffeln Isopulver – also nicht schwer – fällt zwanglos aus dem Pappumschlag! Hat wohl doch Recht stark geregnet! – Dass der erste Tag im Nachhinein so milde wirkt, ist wohl der verklärten Sicht nach erleben des 2. Tages geschuldet. Regenmengen sind eben auch relativ, ähnliche wie Haare. Zwei in der Suppe, wären relativ viel, auf dem Kopf relativ wenig. 
Jedenfalls: 
Auf nach Elefsina: Hier warten normaler Weise Kinder mindestens einer Schulklasse zum Abklatschen. Keiner da! Warum?? Wir erfahren erst es später! Nach 25 km binde ich die Regenjacke um, da es zwar noch gering regnet, aber nicht so kalt ist. Gut 2 Stunden unterwegs. In Megara haben wir in rund 3:45 h auf Grund der nun milden Temperaturen Stress frei Marathon Distanz. Aber es hat Gründe, dass viele noch die Wind-/Regenjacke an haben und nicht wie ich umgebunden. Am Ortsende von Megara fehlen wieder die Schulkinder: Ich frage beim nächsten CP nach: Schulen sind geschlossen wegen Zyklon Warnung! Wir laufen weiter! Wetterprognose: Mehr Regen!
Bis zum Kanal von Korinth und Hellas Can passiert eigentlich nichts Besonderes. Außer: Keiner verwendet die Wassereimer mit den Kühl-/Waschschwämmen. Aber es heißt wie immer sich in Geduld üben. Kilometer 50 bis 72 der Strecke versuche ich zu verdrängen.  Auch die Aussicht ist heute nicht schön, aber es sind die ersten trockenen Stunden des Laufes mit nur geringem Wind. 
Hellas Can km 81 erreichen wir gut im Plan um rund 14:00. Uhr. Kurz essen und trinken und weiter. Ancient Korinth ist nicht weit. Dort sind sogar wenige Touristen, die gerade vom Essen kommen und Thore und mich fragen: „Wieweit is´ es für Euch noch?“.  „Rund 150 km bis Sparta, haben seit Athen ca. 100km hinter uns!“.  Das Gesicht spricht Bände! Ich denke: Der rührt die nächsten 24 h kein Bier oder Schnaps mehr an, weil er denkt er halluziniert und hat´s gleichzeitig an den Ohren! 
Die Unterführung direkt nach dem Ort ist mit einer Riesenpfütze geflutet: Langsam am Rand durch den Grasrandstreifen und hoffen, dass es dort nicht so tief ist. Auch bis Nemea, außer Geduldsaufgabe, nicht besonderes: Ca. 18:20 Einlauf im Ort unter schon dunklen Wolken. Trotzdem weiß ich, dass die Wetter App auch sagte: Sonnenuntergang – die hab´ ich übrigens noch nicht gesehen – um rund 19:30 Uhr. Wir werden die Track-Road im hellen schaffen, was bei den vielen Pfützen sicher von Vorteil ist. Ich habe trotzdem aus meinem drop bag bei Nemea eine normale Stirnlampe schon mit. Thore hat sich von Wolfgang  noch keine Lampe geben lassen. Nach 500 m auf der Track Road naht von hinten ein Fahrzeug: Wie so oft scheint ein Supporter sich für Walter Röhrl zu halten. Warum nur: Selbst die Spitzenläufer laufen doch hier nur 12km/h, warum fahren die Idi……. dann mit 80 km/h an einem vorbei. Beim nächsten den ich höre gehe ich mutig in die Wegmitte, habe ja ´ne Neon gelbe Jacke, und bremse den Wagen aus, mache ihm eindeutige, aber Gott sei Dank, keine Effenberghandzeichen: Es ist ein Racedirektor, der uns nass gemacht hätte. Peinlich kann ich also auch! 
Inzwischen regnet es wieder stark: Wir erreichen Malendreni (ca. km 140) durch nass, auch mit nassen Schuhen und Strümpfen. Einmal  Runderneuerung mit Schuhen etc.: Kostet Zeit und mein Kreislauf fährt runter: Meine Hand zittert vor Kälte mit der Kaffeetasse. Also schnell noch den Müllbeutel über die frische Regenjacke und ab geht es: Wolfgang, sagt mit Recht zu Thore: „Witzig, dass man 200 €  Softshellregenjacken hat – Thore hat ´ne Softshelljacke, ich ´ne dicke Wind-Regenjacke, die ich sonst nur im Winter zu Hause anziehe – und ein 10 cent Müllbeutel ist besser als der moderne Sch…….“. Recht hat er!
Bis Lyrkia kann ich meine Füße trocken halten: Dann rechts Kurve und die bekannte 200 m Steilstrasse hoch: Die ganze Strasse ist ein Sturzbach an dem wir nicht vorbeikommen und der tiefer ist als unsere Schuhsohlen hoch: 700 m später sind wir am CP: Mit Waschfrauenhänden, sorry: Füßen! In Amerika oder Deutschland wäre für diese „Flussüberquerung“ bzw. Steigung das Flussbett hinauf, ein Sicherheitsseil gespannt worden! Komplettaufweichung. Etwas heiße Suppe und Thore lässt sich von Wolfgang wieder seinen shin splint rechts – den hat er seit ca. Kilometer 81 -etwas wegmassieren, was zunehmend nicht mehr gelingt. Schnell weiter den Berg hoch zu Mountain Base: 2 Wichtel laufen durch die Nacht! Das letzte Steilstück vor der Unterführung der Schnellstraße walken wir. Ein Läufer überholt uns und murmelt ein Mantra deutlich hörbar vor sich hin: „ Unbelievable.I have changed 3 times and have no fuc…… dry clothes left! Un……………..”. Wie Recht er hat! Ich frage mich, ob man zu dem Text auch rappen könnte!? Hat jedenfalls Potential.
Wie das Wetter wirklich ist erkennt man daran, dass man im Tal  Kaparelli praktisch nicht mehr sieht und ich bergauf mit T-Shirt kurz + Pulli lang, plus Regenjacke, plus Müllbeutel nicht schwitze!
Mountain Base: Essen, trinken und andere, trockene Jacke und weiter. Der Sangas Pass verschwindet in einer Waschküche aus Regen und Nebel. Ich habe auf meine helle Stirnlampe gewechselt, die Thore schon seit km 140 in Malandreni trägt. Er nimmt die Lampe in die Hand, da die Wassertropfen das Licht „oben“ mehr reflektieren, als in Boden Nähe. Ich lasse die Lampe auf dem Kopf: Bin ja nicht so hoch! 
Vorsichtig, wegen Matsch und nassen rutschigen Steinen, Geröll weiter. Sozusagen: Hoch, ein Schluck warmen Kaffee und sofort runter!
Auch in Sangas Ort: Keine Pause. Konzentriert die über die Straße strömenden Bäche möglichst wenig betretend, weiter nach Nestani. Durch den skin splint rechts, und die nasse, kalte Oberschenkelmuskulatur, hat Thore sich am Pass die Quadricepssehne links „entzündet!“. Nicht unser Tag, oder besser Nacht! Aber trotz des vielen Umziehens, der langsamen – wegen höherer Sturzgefahr wie bei Trockenheit – Bergpassüberquerung, und der vielen „warme Suppe Pausen“ , erreichen wir Nestani noch Recht befriedigend um 1:21 Uhr.  Das Bergabstück nach Nestani tut Thores Kniesehne gar nicht gut, und mir tut langsam Ernsthaft das CP Personal der kleinen CPs leid: Kein wirklicher Schutz vor dem nun immer heftigeren Regen. Wir brauchen rund 3 Stunden bis Tegea: Das ist für den Spartathlon zu diesem Zeitpunkt  – 172 km gelaufen, Nachts zwischen 1:00 und 5:00 Uhr plus Berg hinter sich, für diese 24 km ein normales Tempo, aber a) nicht das, was wir geplant hatten und b) nicht das was unseren Kreislauf anstrengt, also uns warm hält! Mir ist schei…. kalt! Aber ich geh´ ja auch nicht mehr gern ins Schwimmbad, seit ich den Kindern über Seepferdchen, Pirat, Bronze und Silberabzeichen das Schwimmen beigebracht habe. Viel zu nass und kalt. Wenn Gott gewollt hätte, dass ich Schwimmer werden, hätte ich zumindest nicht Schuhgröße 39: also viel zu klein zum Patteln! Am Main-CP Tegea sind Decken, etc: Aufwärmen und schlafen. Thore Kniesehne ist im Bereich „südlich der Wirbelsäule“ und durch die Gewichtsverlagerung und das andere Gangbild meldet sich die Achillessehne der Gegenseite. Letzteres soll ja angeblich vor Troja schon mal ein Problem gewesen sein, aber nicht vor Sparta! Wir wandern weiter: „Wanderer kommst Du nach……….!“. Bei dem Regen trotzdem kein Spaß. Tegea sind195 km und es ist CP 60: Im weiteren ereilt uns beide Sekundenschlaf: Unbekannte Läufer nehmen sich am Trinkgürtel oder Trinkrucksacke – also in warmen Jahren. Man lese nur alte Laufberichte! Wir „kennen uns ja“ und gehen Hand in Hand weiter: Führt hier der Sohn den Alten zum ersten Mal, so wie vielleicht später im Seniorenheim aus dem Zimmer in die Eisdiele. Naja, noch ist es ja nicht so weit! Bei CP 63 haben wir irgendwie Wolfgang erwartet, weil ich mir da ein drop bag abgelegt habe: Aber er ist nicht da, darf ja erst wieder bei CP 65! Diese gesamt 17 km und überwiegend bergauf von CP 60 bis 65 sind weit, zumindest zeitlich, bei nun Dauer-Starkregen und Gegenwind.  Thores Sehnen sind am Ende, mental ist er das eigentlich nicht: Gesundheit geht vor: Wie heist es doch so schön: Ab Kilometer 150 heißt DNF nicht mehr „did not finish“, sondern „did nothing fatal“. Er steigt aus und während Wolfgang (= Ein Klasse Betreuer!!!!!! Danke!) sagt: „Für dich Dietmar ist kein Platz im Auto!“ Sagt Thore: „Dann musst Du nächstes Jahr nochmals mit mir hin!“ Klares Statement von beiden.  Ich laufe langsam weiter, komme aber sogar nochmal in Schwung, und werde bis CP 72 praktisch durchlaufen können. Wie das Wetter aber ist mag jeder beurteilen, wenn er liest, dass ich zwischen CP 68 und 69 in der lang gezogenen Bergaufkurve der Straße die lange Außenbahn nehme und dadurch nach rund 224 km m.E. gut 400 Umweg laufe. Gefühlt übrigens eher 2 km Umweg!!! An der Kurveninnenseite ist aber eine Flut – schon kein Bach mehr – die den gesamten Standstreifen einnimmt! Ab CP 69 klopft der Läufer an den CPs an: Wenn sonst in den normalen Jahren schon von weitem winkend das CP Personal einen begrüßt und die Nummer aufschreibt, muss ich nun Plastikfolien um Schirm´chen und Hütten kurz wie einen Vorhang teilen, mich mit Nummer melden und weiter geht es. LKWs können gar nicht mehr anders, als einen im Sinne einer „Eimer-Dusche“ Kneipp´sche Güsse verpassen. Ich bin aber hier nicht auf Kneipp-Kur, auch wenn ich mir den Spaß ja als Jahresurlaub ausgesucht habe!! Nässer wird man sowieso nicht mehr, aber es weht einen gefühlt 1m zurück und man strauchelt!  Bergab zu CP 71 fließt ein Erd-Geröllbach über die Straße. Nur nicht auf den Geröllbrocken jetzt noch umknicken! Für mich ist der Bach jedenfalls Knöchel tief. Auch wird der Wind stärker. Zwischen durch – kein Witz! – fließt das Wasser kurz bergauf!  CP 72 erreiche ich noch halbwegs laufend, dann sind meine Oberschenkel auch im Eimer, aber ich bin nicht mehr so kalt. Der Rest – rund 10 km werden gewandert. Nach 30:45 h sehe ich Leonidas. Kinder haben mich ab CP 73 oder 74 – wie sonst immer – nicht begleitet. Die müssen ja wegen dem Zyklon im Haus bleiben! Ich freue mich, mehr das dieses Drama zu Ende ist und fühle mich beim Strecken der Arme gen ´Himmel, eher wie der Seher im Astrix am Ende der Geschichte: Auch der griechische Donnergott beantwortet meine hochgereckten Arme mit Donner und noch mehr Regen! Ich ergreife den Fuß von Leonidas wohl mehr wie der Ertrinkende den Beckenrand, zumindest zeigt dies das Bild, das ich bei der ebenfalls durch Regen „gestörten“ Abschlussfeier am Montagabend erhalte. 
Fazit: Ich war 25 h von 31 h Laufzeit im Regen, wer nach mir kommt legt nur noch Regenzeit drauf! Spartathlon 2018 wird sicher eine ewige „Geschichte“ an hoffentlich warmen und brennenden Lagerfeuern sein. Ob dies allerdings so nötig war? Im Nachhinein kann man natürlich immer klugsch……….: Trotzdem hätte ich es bei geschlossenen Schulen und „Hausarrest“ der Bürger konsequent  gefunden, wenn man das Rennen nach 24:30 h abgebrochen hätte, also Samstag um 7:30 Uhr, bevor es noch schlimmer wurde. Dies deshalb , weil man dann alle „Nestani-Erreicher“ und „Weiter Gelaufenen“, als Finisher im Sinne der früheren Qualifikation (= Wer Nestani in dieser Zeit erreicht hatte, war für das nächste Jahr qualifiziert) hätte werten können. Aber, Gott sei Dank ist ja keinem Läufer durch den Sturm ein Unfall geschehen, nur Überlastungsprobleme der umgekehrten Art wie bei 40° Hitze!  Ich versuche es zu sehen wie in Astrix die große Überfahrt: „…..Alter Gauner! Wolltest mich drankriegen………..Aber ich gebe dir noch einmal pardon! So einen schone Rauferei war diese! Was haben wir gelacht!…….Komm und trink mit uns!……“ 
Thore und ich kommen jedenfalls wieder und dann „rocken wir das Ding!!!!!“